Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist vielleicht Resonanz die Lösung. Dies ist, auf die kürzestmögliche Formel gebracht, die zentrale These von Hartmut Rosas neuestem Buch, das als Gründungsdokument einer Soziologie des guten Lebens gelesen werden kann.
Herausgeber | Suhrkamp |
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Jahr | 2016 |
Seiten | 816 |
Dateigröße | 3.69 MB |
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Dies ist, auf die kürzestmögliche Formel gebracht, die Kernthese des neuen Buches von Hartmut Rosa, das als Gründungsdokument einer Soziologie des guten Lebens gelesen werden kann. An seinem Anfang steht die Behauptung, dass sich die Qualität eines menschlichen Lebens nicht in der Währung von Ressourcen, Optionen und Glücksmomenten angeben lässt. Stattdessen müssen wir unseren Blick auf die Beziehung zur Welt richten, die dieses Leben prägt und die dann, wenn sie intakt ist, Ausdruck stabiler Resonanzverhältnisse ist.
Um dies zu begründen, präsentiert Rosa zunächst das ganze Spektrum der Formen, in denen wir eine Beziehung zur Welt herstellen, vom Atmen bis hin zu kulturell ausdifferenzierten Weltbildern. Dann wendet er sich den konkreten Erfahrungs- und Handlungssphären zu – etwa Familie und Politik, Arbeit und Sport, Religion und Kunst –, in denen wir spätmodernen Subjekte Resonanz zwar suchen, aber immer seltener finden.
Das hat maßgeblich mit der Steigerungslogik der Moderne zu tun, die sowohl Ursache als auch Folge einer gestörten Weltbeziehung ist, und zwar auf individueller wie kollektiver Ebene. Denn auch die großen Krisentendenzen der Gegenwartsgesellschaft – Ökokrise, Demokratiekrise, Psychokrise – lassen sich resonanztheoretisch analysieren, wie Rosa in seiner Soziologie der Weltbeziehung zeigt. Als eine umfassende Rekonstruktion der Moderne in Begriffen…
Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung. Das ist die auf die kürzest mögliche Formel gebrachte Kernthese dieses Buches. Sie signalisiert zugleich zwei wichtige Grundeinsichten:
Erstens, die Lösung heißt nicht Entschleunigung. Auch wenn mir von der Presse gelegentlich die Rolle eines ›Entschleunigungsgurus‹ zugeschrieben wurde (und ich mir dieses Image durch einige unvorsichtige Medienauftritte vielleicht auch unfreiwillig verdient habe), habe ich tatsächlich niemals die Verlangsamung als individuelle oder gesellschaftliche Lösung für das Beschleunigungsproblem propagiert, sondern sie allenfalls als ›Coping-Strategie‹, als eine Weise, im Alltag mit tempoinduzierten Problemen umzugehen, nahegelegt. Im Grunde habe ich mich nie systematisch mit ›Entschleunigung‹ beschäftigt.
Zweitens, wenn Entschleunigung nicht die Lösung ist, bedeutet dies auch, dass die Problemdiagnose präzisiert werden muss. Moderne Gesellschaften sind durch eine systematische Veränderung der Zeitstrukturen charakterisiert, die sich unter den Sammelbegriff der Beschleunigung bringen lässt. Beschleunigung wiederum habe ich in meiner letzten Monographie als Mengenwachstum pro Zeiteinheit definiert, und dies macht bereits deutlich, dass wir es mit umfassenden Steigerungsprozessen zu tun haben: Man kann, wie ich im letzten Teil des vorliegenden Buches zeigen werde, den Beschleunigungsprozess auch verstehen als unaufhebbare Eskalationstendenz, die ihre Ursache darin hat, dass sich die gesellschaftliche Formation der Moderne nur dynamisch stabilisieren kann.
Das bedeutet, dass die moderne, kapitalistische Gesellschaft sich immerzu ausdehnen, dass sie wachsen und innovieren, Produktion und Konsumtion steigern, Optionen und Anschlusschancen vermehren, kurz: dass sie sich beschleunigen und dynamisieren muss, um sich selbst kulturell und strukturell zu reproduzieren, um ihren formativen Status quo zu erhalten. Diese systematische Eskalationstendenz verändert aber die Art und Weise, in der Menschen in die Welt gestellt sind, sie ändert das menschliche Weltverhältnis in grundlegender Form. Dynamisierung in diesem Steigerungssinn bedeutet, dass sich unsere Beziehung zum Raum und zur Zeit, zu den Menschen und zu den Dingen, mit denen wir umgehen, und schließlich zu uns selbst, zu unserem Körper und unseren psychischen Dispositionen, fundamental verändert.
Hartmut Rosa, geboren 1965, ist Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie Direktor des Max-Weber-Kollegs in Erfurt.
Im Suhrkamp Verlag sind erschienen: Beschleunigung und Entfremdung. Entwurf einer kritischen Theorie spätmoderner Zeitlichkeit (2013); Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung. Umrisse einer neuen Gesellschaftskritik (stw 1977); Soziologie – Kapitalismus – Kritik. Eine Debatte (zus. mit Klaus Dörre und Stephan Lessenich, stw 1923) und Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne (stw 1760).
Titel | Resonanz Hartmut Rosa |
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Untertitel | Eine Soziologie der Weltbeziehung |
Autor | Hartmut Rosa |
Herausgeber | Suhrkamp |
Datum | 2016 |
Seiten | 816 |
Land | Berlin |
ISBN | 9783518742853 |
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